Die Sonne fing gerade an ihre ersten Strahlen in das langgestreckte Tal hoch in den Bergen zu werfen als Yohiro began die kleine Terasse vor seiner Hütte vom Schnee der letzten Nacht zu befreien. Die Minus sechs Grad Temperatur ließen den nahenden Frühling erahnen. Barfuß und nur in seinem Yukata mit einem leichten Haori bekleidet den er wegen der morgendlichen Kälte übergeworfen hatte, schaufelte er die zehn Zentimeter Schnee hinunter in Richtung Tal. Eine gute Gelegenheit die bewußte Regelung der Köperfunktionen zu üben.

Gerade war er angefangen die Reste mit einem Besen von der Terasse zu fegen als er ganz weit unten im Tal ein paar dunkle Punkte sah die sich durch den Schnee bewegten.

Nachdem die Terasse gesäubert war fing er in aller Ruhe mit seinen morgentlichen Tai-Chi Übungen an. Als er nach einer halben Stunde mit seinen Übungen durch war überzeugte ihn ein Blick ins Tal das der angehäufte Schnee die Besucher frühestens um die Mittagszeit bis zu seiner Hütte vorlassen würde. Auf die Idee die schwarzen Punkte als etwas anderes als Besucher für Ihn einzustufen kam Yohiro gar nicht erst. Hier in diesem Tal gab es nur ihn und seine Hütte. Das war der Grund gewesen weshalb er sich hierher zurückgezogen hatte.

Nachdem er sich nun richtig vorbereitet hatte und seinen Körper auf Touren gebracht hatte legte er die Obergewänder ab. Jetzt ging es weiter mit Wing Chun Übungen, zuerst ohne Waffen, dann noch einige Übungen mit dem Langstock, eine Waffe die oft unterschätzt wurde insbesondere wo heutzutage selbst der letzte Idiot mit automatischen Schußwaffen herumfuchtelte. Zum Abschluß holte er seine Daisho. Zuerst machte er eine lange Kata allein mit dem Katana, dann noch eine besondere Übungsfolge in der er beide Schwerter zum Einsatz brachte.

Er brachte seine Waffen zurück in die Hütte und kam mit einem Holzeimer wieder heraus den er in einem grossen Trog füllte auf dessen Wasser Eisschollen schwammen. Er wusch sich das Gesicht und den verschwitzen Oberkörper. Zum Schluss kippte er sich den Rest des eiskalten Wassers über den Kopf und wusch sich seine langen weisgrauen Haare und seinen Bart. Er trocknete sich ab und nahm einen vollen Eimer Wasser mit in die Hütte. Ein Blick auf die Punkte im Tal die sich langsam in menschliche Gestalten verwandelten zeigte ihm das noch Zeit genug war um einen Tee zuzubereiten.

Da er die Besucher nicht in seiner Hütte haben wollte brachte er einen kleinen Tisch, drei Sitzkissen und weitere Utensilien auf die Terasse, zwei der vier Besucher waren Leibwächter. Die Sonne war inzwischen so weit gestiegen das sie die Terasse beschien und getrocknet hatte.

Die Temperaturen waren ein wenig gestiegen im Laufe des Vormittags aber Yohiro stellte in seinem leichten Haori doch einen starken Kontrast zu den Ankömmlingen dar die sich in moderner, beheizter Winterkleidung mit dampfenden Atemwolken vor den Mündern den Berg hochkämpften.

Am Rande der Terasse angekommen sprach die kleinste und ein wenig rundlich aussehende Gestalt Yohiro an der am Tisch in der Sonne saß und den kommenden Frühling begrüßte. “Sensei Muramasa, entschuldigen Sie wenn wir Sie stören aber wir würden Ihnen gern eine Botschaft des Schwarzen Drachen überbringen.” Hatte ihn seine Vergangenheit also doch noch eingeholt.

Yohiro bat den kleinen runden Mann und seinen schlaksigen jungen Begleiter an den Tisch auf der Terasse. Die beiden Leibwächter, deren schwere Panzerung und umfangreiche Bewaffnung Yohiro schon von Weitem aufgefallen waren, würdigte er keines Blickes.

Yohiro wollte mit den ungebetenen Gästen keine vollständige Teezeremonie abhalten. Trotzdem stellte er einen steinernen Topf mit frischem Wasser neben den Tisch, wusch sich kurz die Hände und trocknete diese dann mit einem der bereitgelegten Leinentücher ab. Danach forderte er die Gäste mit einer Kopfbewegung auf es ihm gleich zu tun. Er wollte von vorneherein klarstellen das Alles was hinter ihnen lag, räumlich wie zeitlich, auch hinter ihnen bleiben sollte.

Yohiro nahm nun den Teebambuslöffel, öffnet den Teebehälter und legt den Deckel vor seinem rechten Knie ab. Er entnahm mit Hilfe des Teebambuslöffels pulverisierten Tee, gab ihn in die kunstvoll gearbeitete Teeschale die er zuvor mit sauberem Wasser gereinigt hatte und goß heißes Wasser aus einem Kessel von einem tragbaren Feuer hinzu. Nach dem Aufguss nahm er einen Bambusbesen und schlug den dickflüssigen Tee schaumig. Mit leichter Verbeugung reichte er die Teeschale dem kleinen rundlichen Mann, die dieser mit einer Verbeugung annahm. Mit einer Geste entschuldigt sich dieser bei seinem Begleiter dafür, dass er zuerst die Schale angenommen hatte. Er drehte die Schale dreimal in seiner Hand, wobei er die Schale leicht betastete und bewunderte und nahm daraufhin schlürfend drei kleine Schlucke. Dann strich er den Rand der Schale mit der eigenen Serviette sauber und reicht sie an seinen Begleiter weiter der während dieser Zeremonie doch eine zunehmende Ungeduld erkennen ließ. Für die Dauer des gesamten Rituals herrschte absolutes Schweigen.

Nachdem auch Yohiro die Schale abgesetzt hatte erkundigte sich der rundliche Besucher höflich nach der verwendeten Teesorte und äußerte seine Bewunderung über die erlesene Qualität der Teeschale während sich Yohiro umfangreich dafür entschuldigte seine Besucher nur ungenügend bewirten zu können. Der junge Begleiter mußte zunehmend von dem rundlichen Besucher durch Gesten zur Geduld und Ruhe gemahnt werden während sich zwischen ihm und Yohiro eine nichtssagende Konversation über die verschiedenen Teesorten entspannte.

“Können wir jetzt vielleicht auf den Grund unseres Kommens zurück kommen.” Warf der junge Mann irgendwann in die Diskussion worauf er zwei bedauernde Blicke von Yohiro und dem rundlichen Besucher erntete. Einfach keine Erziehung mehr die Jungen Leute. Mit einem leichten Seufzer beendete der rundliche Besucher die zivilisierte Konversation und wiederholte was er schon bei ihrem Eintreffen gesagt hatte. “Wir haben eine Botschaft vom Schwarzen Drachen an Sie Sensei Muramasa.” Mit dieser Bemerkung griff er in eine Tasche seines Wintermantels und holte ein Stück Leinen hervor in das etwas eingewickelt war. Dies legte er vor Yohiro der es vorsichtig öffnete. Auf dem Leinentuch lag nun eine einfache Tsuba aus schwarzem Metall in die auf beiden Seiten je ein stehender Reiher eingestochen war. “Kogaratsu Maru, die kleine Krähe, ist verschwunden. Der Schwarze Drache bittet um Ihre Hilfe.”

Mit diesen Worten stand der rundliche Besucher auf und verneigte sich zu Yohiro. Dann drehte er sich zum Gehen um wobei er seinen jungen Begleiter fast mit sich schleifen mußte. Als die Gestalten bereits am Absteigen waren konnte Yohiro noch die Worte des Jungen Mannes hören “Hey, ich dachte wir sollen den alten Knacker mitbringen! Was soll das jetzt wieder? Ich werde hier doch keine halbe Arbeit leisten nachdem ich mich den verdammten Berg hochgequält habe!” “Junger Freund, Du mußt noch viel lernen. Niemand und damit meine ich wirklich niemand, nimmt Sensei Muramasa einfach mit! Man bittet ihn zu kommen und ist erfreut und gerührt wenn er dieser Bitte nachkommt.” “Wozu haben wir dann die schweren Leibwächter mitgenommen. Wir hätten den alten Knaben einfach einpacken und gehen sollen anstatt erst stundenlang Tee zu trinken und nichtssagende Nettigkeiten auszutauschen.” “Die Leibwächter sind dazu da uns sicher hier her und wieder zurück zu bekommen. Glaubst Du wirklich die haben auch nur den geringsten Eindruck auf Sensei Muramasa gemacht? Der hat sich so sicher gefühlt das er vor unserer Ankunft sogar den Besen von der Terasse geräumt hat damit wir nicht glauben er wolle ihn als Waffe zur Hand haben. Oder ist Dir das nicht aufgefallen?”

Während die Gestalten langsam wieder zu schwarzen Punkten auf dem Weiß des Schnees wurden zerlegte Yohiro mit geübten Bewegungen sein Katana. Er erstetzte die kunstvoll gearbeitete goldene Tsuba seines Schwertes durch die mit Kranichen verzierte Metall-Tsuba. Als wenn das Schwert dadurch eine Verwandlung erfahren hätte sah es plötzlich wie ein gefährlicher Gebrauchsgegenstand aus anstelle eines kunstvoll gearbeiteten Trainingsgerätes. Die Tsuba vervollständigte das Schwert, der unnötige Zierrat war gewichen.

Mit einem Seufzer ging Yohiro zurück in seine Hütte. Morgen würde er von seinem Berg herabsteigen. Nach all den Jahren der Ruhe.